Cannabislegalisierung


Ist Kiffen jetzt in der Werkstatt erlaubt?

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Das neue Cannabisgesetz (CanG), das seit dem 1. April 2024 in Kraft getreten ist, legalisiert den Konsum von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen und stellt die betriebliche Praxis vor offene Fragen. Dr. Katharina Gamillscheg gibt Antworten.

Frau Dr. Gamillscheg, ist das neue Gesetz jetzt so zu verstehen, dass alle Beschäftigten zu jeder Zeit Cannabis konsumieren oder, wie es im Volksmund heißt, kiffen dürfen?
Gamillscheg: Nein, nicht unbeschränkt. Das Cannabisgesetz erlaubt volljährigen Personen den Konsum von Cannabis, allerdings in der Öffentlichkeit nur mit einem Mindestabstand von über 100 Metern zu Einrichtungen und öffentlichen Plätzen, die von Kindern oder Jugendlichen besucht werden. Auch ist in Gegenwart von Minderjährigen der Konsum von Cannabis untersagt.

Darf in den Berufsschulen jetzt gekifft werden?
Gamillscheg: Nein, davon gehe ich nicht aus. Aus dem Schutzzweck der oben genannten Ausnahmeregelung ergibt sich, dass Jugendliche geschützt werden sollen. Da auch minderjährige Schüler und Schülerinnen die Berufsschule besuchen, darf in ihrer Gegenwart und auch in den von ihnen besuchten Einrichtungen kein Cannabis (legal) konsumiert werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich aber dringend, dass die Schulleitungen von Ihren Hausrechten Gebrauch machen und den Konsum von Cannabis auf dem Schulgelände ausdrücklich verbieten.

Darf denn in der Werkstatt Cannabis konsumiert werden?
Gamillscheg: Hier liegt der Teufel wie immer im Detail. Natürlich ist durch die Cannabislegalisierung das Verbot der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. d. Red.), sich in einen Zustand zu versetzen, in dem man sich selbst oder andere gefährdet, nicht außer Kraft gesetzt. Das gilt weiter für alle Rauschmittel wie Alkohol, Tabletten oder Drogen. Aber für die "Vorstufen" zu diesem Zustand besteht jetzt dringender Handlungsbedarf für die Unternehmer. Dabei können Beweisschwierigkeiten entstehen, wann und in welchem Maß der Mitarbeiter unter dem Einfluss des psychisch aktiven Wirkstoffes von Cannabis (THC) steht.

Wie könnten sich Unternehmer vor der Problematik schützen?
Gamillscheg: Die Betriebsinhaberinnen und -inhaber haben das sogenannte Direktionsrecht, das bedeutet, dass ihnen das Recht zusteht, den Konsum von Cannabis während der Arbeitszeit und den Pausenzeiten vollständig zu verbieten und für mögliche Verstöße arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung anzudrohen. Besteht ein Betriebsrat, ist dieser an der Anordnung zu beteiligen, ansonsten können Unternehmer von ihrem Direktionsrecht auch einseitig Gebrauch machen.

Reicht es aus, das Verbot auf die Arbeits- und Pausenzeiten zu beschränken?
Gamillscheg: Es ist ein Anfang, aber je konkreter das Verbot formuliert ist, desto weniger Auslegungsprobleme können sich später ergeben. Insoweit hat Tischler Schreiner Deutschland eine Musterformulierung vorbereitet, die während der Arbeits- und Pausenzeit sowie der Ausbildungszeit ein absolutes Rauchverbot für Cannabis aufstellt. Dies gilt sowohl im Betrieb, auf dem Betriebsgelände als auch in den Firmenfahrzeugen und bei Außeneinsätzen auf Baustellen oder beim Kunden. Sie verbietet ebenso, unter dem (Rest)einfluss von Cannabis die Arbeit anzutreten.

Kann den Arbeitnehmern nicht einfach grundsätzlich untersagt werden, Cannabis zu konsumieren?
Gamillscheg: Nein, das geht nicht. Das wäre ein zu großer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters, der in seiner Freizeit grundsätzlich das machen kann, was er möchte.

Was empfehlen Sie Unternehmern, wenn sie das Gefühl haben, dass Mitarbeiter berauscht zur Arbeit kommen?
Gamillscheg: Das kann die Unternehmer zukünftig vor ein Dilemma stellen. Zum einen ist es nicht erlaubt, Drogentests zu verlangen, davon abgesehen, dass der Nachweis mit einem medizinischen Eingriff wie einer Blut-, Urin- oder Haarprobe verbunden wäre. Zum anderen stünden die Mediziner dann auch unter der ärztlichen Schweigepflicht. Nichtsdestotrotz darf der Unternehmer nicht wegsehen. Hat er den Eindruck, dass der Mitarbeiter unter dem Einfluss von THC steht, gebietet es die Fürsorgepflicht, dass er den Mitarbeiter, aber auch seine Kollegen schützt. Im Zweifel muss der Mitarbeiter sicher nach Hause geschickt werden. Am besten wird er in ein Taxi gesetzt und/oder von jemanden nach Hause begleitet. Der Unternehmer ist stets gut beraten, wenn er für diesen Vorgang unabhängige Zeugen herbeiruft, die später bestätigen könnten, welche Anzeichen für den Rauschzustand zu bemerken waren, und die auch bezeugen, dass alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden.

Welche personalrechtlichen Konsequenzen ergeben sich denn aus so einem Vorfall?
Gamillscheg: Zum einen kann der Lohn oder das Gehalt gekürzt werden. Wenn der Kollege nicht arbeiten konnte, weil er zu berauscht dazu war, muss ihm für die ausgefallene Zeit kein Entgelt gezahlt werden. Zum anderen kommen weitere Konsequenzen wie eine Abmahnung oder im Extrem- oder Wiederholungsfall eine Kündigung in Betracht.

Letzte Frage: Was würden Sie Betriebsinhabern im ersten Schritt empfehlen?
Gamillscheg: Schaffen Sie transparente Regelungen im Unternehmen. Je deutlicher die Spielregeln formuliert sind, desto weniger Unklarheit und Missverständnisse kann es in Bezug auf den Cannabiskonsum geben. Es darf nicht übersehen werden, dass in der öffentlichen Berichterstattung die Cannabislegalisierung teilweise sehr positiv dargestellt und als neu gewonnenes Freiheitsrecht verstanden wird. Dass hier der eine oder die andere das Verständnis erwirbt, dass jetzt auch im Betrieb neue Regelungen bestehen, kann deshalb nicht überraschen.

Das Interview führte Fridtjof Ludwig.

TSD-Musterformulierung
für Cannabiserbote im Betrieb

Ansprechpartner

Dr. Katharina Gamillscheg
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Daniela Schröder
Assistentin der Hauptgeschäftsführung

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