Branchendialog gestartet


Als Tischler Schreiner Deutschland zusammen mit drei weiteren Berufsverbänden und der IG Metall Ende April die Initiative zur Fachkräftesicherung in den sanierungsrelevanten Handwerksberufen ins Leben rief, zählte auch die Aufnahme eines Branchendialogs zu den zentralen Forderungen. Dieser startete nun in Berlin, wo sich am Mittwoch vier Staatssekretär*innen aus drei Ministerien gemeinsam mit den Initiatoren an einen Tisch setzten.

Wer die Klimaziele und damit verbundenen Sanierungsmaßnahmen ernsthaft und qualitativ hochwertig umsetzen will, braucht dafür gut ausgebildete Fachkräfte, die über alle im Gebäude vertretenen Gewerke hinweg moderne Produkte installieren und integrieren können. Eben diese Aufgabe hat sich auch die Politik gestellt und im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wie ernst es dem Gesetzgeber mit der zentralen Thematik ist, unterstrichen unisono die vier Staatssekretär*innen, die ihrerseits für drei Ressorts sprachen (Bundeswirtschaftsministerium, Bundesarbeitsministerium und Bundesbauministerium).

Dr. Rolf Bösinger (Staatssekretär im BMWSB) hob gleich zu Beginn des Treffens hervor, wie zentral die Thematik in diversen politischen Initiativen behandelt werde und Leonie Gebers (Staatssekretärin im BMAS) unterstrich die große Bedeutung der ausbildenden Betriebe für die Fachkräftesicherung in Deutschland. Gleichzeitig hatten die Sozialpartner den Branchendialog vor allem deshalb angeregt, um erste konkrete Maßnahmen ins Gespräch zu bringen. So mahnte TSD-Präsident Thomas Radermacher die bildungspolitische Fehlentwicklung an, dass seit Jahrzehnten die akademische Ausbildung bereits in der Schulpolitik bevorzugt werde. Stattdessen warb er für ein ressortübergreifendes Umdenken und eine bundesweite Studien- und Berufsorientierung, die gleichberechtigt und ergebnisoffen über berufliche und akademische Bildungspfade informiert – auch an Gymnasien.

 

Förderung flexibilisieren
Zudem unterstrich Radermacher die Notwendigkeit von mehr Flexibilität bei der Förderung: "Wenn sich im Laufe der teils langwierigen Antragsverfahren für ein förderfähiges Bauvorhaben – wie zum Beispiel der Erweiterung oder Modernisierung einer Bildungseinrichtung – die Baukosten aufgrund externer Faktoren, die der Antragsteller nicht zu verantworten hat, massiv erhöhen, gibt es aktuell keine Möglichkeit nachzusteuern." Auch das, so Radermacher im Nachgang des Treffens, behindere letztendlich die Vermittlung "profunder Fachkenntnisse". Diese, erworben nach einer umfassenden Ausbildung, seien allerdings eine große Stärke des Handwerks und damit unterstützenswert, wie Sven Giegold (Staatssekretär im BMWK) zuvor bereits unterstrichen hatte.

Ein weiteres Thema, dem sich die Runde intensiv widmete, betraf die Frage, wie Förderung und Tarifbindung miteinander zu verbinden seien. Hier vertritt die Fachkräfteinitiative der Ausbauhandwerke die Auffassung, dass gute und tariflich abgesicherte Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ein Schlüssel in der Fachkräftesicherung sind. Gleichzeitig warben die Sozialpartner für den Gedanken, dass vor allem Ausbildungsbetriebe, die aufgrund ihrer Tarifbindung bereits eine gewisse Vorbildfunktion einnähmen, Vorteile durch Entlastungen oder bei Förderungen genießen sollten. "Insgesamt habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich die Ressorts durchaus offen für unsere Vorschläge gezeigt haben", konstatiert TSD-Hauptgeschäftsführer Martin Paukner, der zuversichtlich ist, dass der Branchendialog auch bei der Bündelung der unterschiedlichen politischen Initiativen unterstützen wird, um das Thema zielgerichtet weiter voranzubringen.

Hintergrund der Fachkräfteinitiative
Schon heute fehlen in den Ausbauhandwerken bis zu 190.000 Fachkräfte. Diese werden aber dringend benötigt, um den bestehenden Sanierungsstau bei den 19,2 Millionen Wohngebäuden zu bewältigen. Durch mangelnde Sanierungen – zum Beispiel im Fensterbereich – und veralteter Energietechnik sind diese für bis zu 30 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verantwortlich. Während die Bundesregierung bis 2045 Klimaneutralität anstrebt, hat sie im Gebäudesektor die Klimaziele 2020 und 2021 deutlich verfehlt. Gleichzeitig droht die Verteilung der Transformationskosten die angespannte Situation sozial zu verschärfen. Im Vorfeld der nun begonnenen Fachgespräche mit den politischen Spitzen hatten die Sozialpartner unter anderem fünf konkrete Forderungen erhoben, die nun weiter präzisiert wurden, um mit aktiver Unterstützung der Politik eine Fachkräfte- und Klimawende zu erreichen:

 

1. Ausbildung und Qualifizierung: Berufsschulen, Kompetenzzentren und Bildungseinrichtungen des Handwerks arbeiten bereits heute personell und technisch an der Belastungsgrenze und brauchen bessere Ausstattungen. Die Politik muss für eine Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sorgen. Alle beruflichen Bildungswege verdienen ein Klima der Wertschätzung. Dafür brauchen wir eine bundesweite Studien- und Berufsorientierung, die gleichermaßen und ergebnisoffen über berufliche und akademische Bildungspfade informiert – und das flächendeckend an allen allgemeinbildenden Schulen, auch an Gymnasien. Zudem ist ein Ausbau des Aufstiegs-BAföGs und die Freistellung von Kosten für Fort- und Weiterbildungen – wie zum Beispiel die Meisterausbildung – notwendig und es muss in die technische Ausstattung investiert werden.

 

2. Sofortprogramm: Die Bundesregierung ist aufgerufen, Energieeffizienz, die Dekarbonisierung der Wärmenetze und ein neues Gebäudeenergiegesetz mit konkreten Zielen und Zahlen zu hinterlegen. Dazu zählen klare Umsetzungsschritte und verlässliche Sanierungsförderungen. Zudem muss die Politik – im Zuge ihres Monitorings zur Umsetzung der Klimaziele – auch die Fachkräftesituation kontinuierlich und transparent bewerten. Dazu sind verlässliche Modelle zu erstellen, mit welchen innovativen und neuen Technologien die Energiewende umgesetzt werden soll und welcher Fachkräfte- und Qualifikationsbedarf sich daraus ableitet. Nach Erfassung der erforderlichen Schlüsselkompetenzen sind zunächst bedarfsgerechte Aus- und Weiterbildungsangebote zu schaffen.

3. Digitalisierung: Dringend erforderlich für die gebäudetechnischen und Ausbauhandwerke sind optimale, digitale Ökosysteme zur Vernetzung von Handwerkern und weiteren Akteuren wie Energieberatern, Genehmigungsbehörden und Fördermittelgebern, um effizient und fachübergreifend zusammenarbeiten zu können. Arbeiten 4.0 bedeutet dabei auch, auf den Demografie- und Strukturwandel angemessene Antworten zu finden. Dazu gehören zum Beispiel adäquate tarifpolitische Reaktionen auf Aspekte der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Hierbei müssen insbesondere der Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie das Thema altersgerechtes Arbeiten im Fokus sein.

4. Tarifbindung: Die Fachkräftesicherung im Handwerk gelingt insbesondere mit guten und tariflich abgesicherten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Für einen fairen Wettbewerb müssen deshalb staatlich geförderte Sanierungsmaßnahmen an die Tarifbindung der Unternehmen gekoppelt werden.

5. Branchendialog: Tischler Schreiner Deutschland erwartet einen Branchendialog mit der Politik, um belastbare Vereinbarungen im Sinne der Fachkräftesicherung und der Klimaziele zu treffen.

Berlin, 25. August 2022



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